Österreichs akute Kinderrechts-Baustellen: Gewalt, Armut, mangelhafte psychiatrische Versorgung und junge Flüchtlinge Netzwerk Kinderrechte zum Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November 2016
Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes wurde am 20. November 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedet und ist schnell zu dem weltweit gültigen Grundgesetz der Kinder- und Jugendrechte geworden. Nach 27 Jahren haben alle Staaten außer den USA die Kinderrechtskonvention ratifiziert.
Das Netzwerk Kinderrechte Österreich – www.kinderhabenrechte.at – benennt zum Internationalen Tag der Kinderrechte 2016 vier akute Kinderrechts-Baustellen in Österreich: Gewalt, Armut, mangelhafte psychiatrische Versorgung und junge Flüchtlinge. Dazu vier ExpertInnen aus dem Kreis der 43 Mitgliedsorganisationen des Netzwerks Kinderrechte:
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche
„Kinderschutz ist und bleibt in Österreich eine hochbrisante Thematik, denn nach wie vor werden Kinder geohrfeigt, gedemütigt und 10% aller Kinder und Jugendlichen europaweit erfahren sexuelle Gewalt. Wir wissen zwar, dass nicht zuletzt aufgrund der Gewaltverbotsgesetze einige Gewaltformen an Kindern und Jugendlichen abgenommen haben. Wir sind jedoch vermehrt mit psychischer Gewalt wie emotionaler Vernachlässigung und Gewalt unter Jugendlichen - hier besonders mittels neuer Medien (Sexting, Cyber-Mobbing, …) - konfrontiert. Es ist Aufgabe von uns Erwachsenen, allen Kindern und Jugendlichen umfassenden Schutz vor Gewalt und Vernachlässigung zu bieten. Hier gilt es genau hinzuschauen, hinzuhören und gemeinsam effektiv zu handeln.“
Mag. Hedwig Wölfl, die möwe - Kinderschutzzentren
Armut von Kindern und Jugendlichen
„Mehr als 120.000 junge Menschen leben in Österreich in manifester Armut. Damit einhergehend haben die Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien mit eingeschränkten Möglichkeiten der Teilhabe und überdurchschnittlich oft mit gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen. Neben Schutz und Beteiligung ist die bestmögliche Entwicklung von Kindern ein zentrales Kinderrecht. Existenzsichernde Einkommen, keine Deckelung der Mindestsicherung und mehr Bildungs- und Gesundheitsprogramme für Kinder und Jugendliche sind besonders wichtig. Dies gilt selbstverständlich und vor allem auch für Familien und deren Kinder, die in Österreich Asyl beantragt haben.“
DSA Michael Rauch, Kinder- und Jugendanwalt Vorarlberg
Mangelhafte Kinder- und Jugendpsychiatrische Versorgung
„Kinder und Jugendliche können wie Erwachsene von psychischen Problemen belastet sein. Im Laufe der Kindheit und Jugend erkranken 20% der Minderjährigen an einer Problematik in Richtung Angsterkrankung, Depression, ADHS, Störung des Sozialverhaltens, selbstverletzendes Verhalten, Suizid und anderen. Bei 10% der Kinder und Jugendbevölkerung ist eine umgehende kinder- und jugendpsychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung unumgänglich. Dass diese oft schwerwiegenden Erkrankungen fachgerecht behandelt werden, ist ein Kinderrecht und sollte in einer Gesellschaft wie der unseren auch eine Selbstverständlichkeit sein. Leider fehlt es aber an einem niederschwelligen Zugang zu entsprechenden Angeboten. Die Kinder- und Jugendpsychiatrische Versorgung im Sinne von Kassenärzten, Ambulatorien und Krankenhausabteilungen ist nur unzureichend vorhanden. Erschwerend kommt hinzu, dass Therapien wie die Psychotherapie, die Ergotherapie oder auch die Logopädie, von denen sehr viele der Betroffenen profitieren, in Österreich zumeist nur unzureichend von den Krankenkassen mitfinanziert werden. Viele Familien können sich Behandlungen mit Selbstbehalt nicht leisten. Deshalb ist es ein großes Anliegen der österreichischen Kinder- und JugendpsychiaterInnen darauf hinzuweisen, dass die psychosoziale Versorgung in Österreich flächendeckend ausgebaut wird und Kinder und Jugendliche diese Therapien voll finanziert durch die Krankenkasse angeboten bekommen.“
Prim. Dr. Christian Kienbacher, Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Junge Flüchtlinge
„Die UN-Kinderrechtskonvention verspricht allen Kindern unabhängig von Status, Religion, Herkunft und Geschlecht die Deckung von essentiellen Bedürfnissen, Schutz und Beteiligung. Leider werden in Österreich minderjährige Flüchtlinge noch immer wie halbe Kinder behandelt. Alleine heuer hat sich die Situation für junge Flüchtlinge massiv verschlechtert. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden von der Ausbildungspflicht bis 18 ausgeschlossen, der Familiennachzug verschärft, umstrittene Methoden der Altersfeststellung werden nach wie vor angewandt, und lange Aufenthalte in nicht altersgerechten Einrichtungen belasten Kinder und Jugendliche massiv. Das Kindeswohl sollte wie in der österreichischen Verfassung verankert an vorrangiger Stelle stehen. Es ist an der Zeit, alle Kinder gleich zu behandeln. Die Politik ist gefordert.“
Mag. Eva Kern, Geschäftsführerin des Don Bosco Flüchtlingswerkes und Initiatorin der Kampagne „Keine halben Kinder“
Was sind Kinder- und Jugendrechte?
Kinder- und Jugendrechte sind eine besondere Gruppe von Menschenrechten speziell und ausschließlich für junge Menschen unter 18 Jahren. Kinder und Jugendliche müssen vor Gewalt geschützt werden, sie müssen ausreichend versorgt werden (mit Nahrung, Wohnung, Bildung, Gesundheit), und sie haben ein Recht darauf, ihre Meinung zu äußern, Antwort zu bekommen und mitzubestimmen. Wie in allen Menschenrechtsverträgen ist Diskriminierung auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes verboten.
Seit wann gilt die UN-Kinderrechtskonvention?
20. November 1989
Die „Konvention über die Rechte des Kindes“ wird von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen.
5. September 1992
Die Kinderrechtskonvention tritt in Österreich auf Stufe eines einfachen Bundesgesetzes in Kraft.
16. Februar 2011
Das „Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern“ mit einzelnen Kinder- und Jugendrechten tritt in Österreich mit unmittelbarer Anwendbarkeit durch Gerichte und Verwaltungsbehörden in Kraft.
Termin-Zusammenschau zum Internationalen Tag der Kinderrechte
Netzwerk Kinderrechte Österreich listet Pressekonferenzen, Veranstaltungen und Aktionen rund um den 20. November 2016 auf:
Rund um den Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November informieren viele Organisationen noch aktiver über Kinder- und Jugendrechte, um mehr Bewusstsein in Politik und Gesellschaft zu schaffen. Das Netzwerk Kinderrechte Österreich als unabhängiger Zusammenschluss von 43 Organisationen und Institutionen zur Förderung der Umsetzung der UNO-Kinderrechtskonvention in Österreich (siehe auch die heutige Aussendung "Österreichs akute Kinderrechts-Baustellen: Gewalt, Armut, mangelhafte psychiatrische Versorgung und junge Flüchtlinge") bietet hier eine Termin-Zusammenschau verschiedenster Veranstaltungen zum diesjährigen Kinderrechtstag:
Donnerstag, 17. November 2016
1) Präsentation „Gesundheitsstandards für Kinder mit Fluchtbiografie“ 9.30 Uhr im Café The Connection, 1090 Wien, Garnisongasse 11 Liga für Kinder- und Jugendgesundheit www.kinderjugendgesundheit.at
2) Ausstellung „Alles, was Recht ist – Warum wir Kinderrechte brauchen!“ täglich bis 21. November im LDZ Linz, Bahnhofplatz 1 Kinder- und Jugendanwaltschaft Oberösterreich www.kija-ooe.at
3) Veranstaltung „Gala der Kinderrechte“ 17.00 Uhr im Dom im Berg, Graz Kinderbüro - Die Lobby für Menschen bis 14 www.kinderbuero.at
Freitag, 18. November 2016
1) Aktion "Kinderfreunde spannen Netz für Kinderrechte" 11.00 bis 12.00 Uhr in der Säulenhalle im Parlament Österreichische Kinderfreunde www.kinderfreunde.at
2) Veranstaltung "an[ge]kommen, Kinder nach der Flucht" 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr in der Ankerbrotfabrik, Absberggasse 27, 1100 Wien SOS-Kinderdorf Österreich www.sos-kinderdorf.at und Caritas Wien
3) Verteilaktion von Postkarten und fairen Süßigkeiten: „Einfach Kind sein“ und Ausstellung „Leben retten - ein Boot aus Kinderwünschen“ 14.-17.11. in der Plus City in Linz 18.-19.11. in der Lugner City in Wien Katholische Jungschar Österreichs www.jungschar.at
4) Abschlussveranstaltungen der Steirischen KinderrechteWoche 2016 11.00 bis 12.30 Uhr bzw. ab 17.00 Uhr im Rathaus in Graz Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark www.kinderanwalt.at
5) Aktionstag "Schau hin – auch auf Reisen! Kinderrechte und Kinderschutz gehen uns alle an!“ zwischen 13.00 und 15.00 Uhr auf Bahnhöfen in Wien und Niederösterreich ECPAT Österreich www.ecpat.at
Sonntag, 20. November 2016
1) Social-Media-Kampagne von "Keine halben Kinder" mit neuen Video-Clips Don Bosco Flüchtlingswerk www.keinehalbenkinder.at
2) Auftakt-Veranstaltung zum VHS-Jahr der Kinderrechte 2017 10.00 bis 12.00 Uhr in der VHS Wiener Urania, Uraniastraße 1, 1010 Wien Österreichische Volkshochschulen www.vhs.at
3) Familienvorlesung „Was sind Kinderrechte?“ und „Was machen eigentlich RechtsanwältInnen?“ um 11.00 Uhr am Wiener Juridicum, Schottenbastei 10 bis 16, 1010 Wien Kinderbüro der Universität Wien www.kinder.univie.ac.at
Montag, 21. November 2016
Verleihung des NÖ Kinderrechtepreises 2016 11.00 bis 13.00 Uhr im Landhaus, St. Leopoldsaal, Haus 1 A, 3109 St. Pölten Niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft www.kija-noe.at
Dienstag, 22. November 2016
Pressekonferenz "Aktuelle Studienergebnisse zu Bewusstsein und Einstellung der ÖsterreicherInnen zum Thema Gewalt und Missbrauch an Kindern im Jahr 2016" um 11.00 Uhr Börsecaffé, Wipplingerstraße 34, 1010 Wien www.die-moewe.at
Donnerstag, 24. November 2016
1) 3. Jahrestagung der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit "Kinder, Armut & Gesundheit - Warum mehr Gerechtigkeit Not tut" 9.00 bis 17.00 im Ankersaal/Brotfabrik Wien Absberggasse 27, 1100 Wien Liga für Kinder- und Jugendgesundheit www.kinderjugendgesundheit.at
2) Wiener Bildungsgespräche "Alle Kinder haben Rechte" 15.00 bis 20.00 Uhr im Stadtschulrat für Wien, Wipplingerstrasse 28, 1010 Wien Stadtschulrat für Wien www.stadtschulrat.at